Kein Anspruch auf Brustaufbau bei bloßem psychischen Leiden
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die beklagte Krankenkasse auf Erstattung der Kosten einer Mammaaufbauplastik.
Diese beeinträchtigte sie nicht in einer Körperfunktion. Sie wirkte auch nicht entstellend. Für eine Entstellung genügt nicht jede körperliche Abnormität.
Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die erwarten lässt, dass die Auffälligkeit sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht, die Betroffenen ständig viele Blicke auf sich ziehen, zum Objekt besonderer Beachtung anderer werden und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen drohen, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist. Eine Entstellung kann in eng begrenzten Ausnahmefällen auch an üblicherweise von Kleidung bedeckten Körperstellen möglich sein.
In diesen Bereichen müssen die Auffälligkeiten jedoch besonders schwerwiegend sein. Erforderlich ist, dass selbst die Offenbarung im privaten und vertrauten Bereich die Teilhabe, etwa im Rahmen der Sexualität nahezu ausschließen würde. Hierbei ist nicht das subjektive Empfinden der Betroffenen maßgeblich, sondern allein die objektiv zu erwartende Reaktion.
Hierfür muss die Auffälligkeit evident abstoßend wirken. In den bislang vom BSG ablehnend entschiedenen Fällen wird diese Erheblichkeitsschwelle nicht erreicht. Gleiches gilt in aller Regel etwa auch für Hautüberschüsse, wie sie etwa nach einem erheblichen Gewichtsverlust infolge einer strengen Diät oder einer bariatrischen Operation verbleiben können.
Vorliegend hat das Landessozialgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Brustasymmetrie der Klägerin sowohl im bekleideten als auch im unbekleideten Zustand nicht entstellend war. Schließlich rechtfertigte eine psychische Belastung der Klägerin aufgrund ihres Erscheinungsbildes keinen operativen Eingriff. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats des Bundessozialgerichts können psychische Leiden einen Anspruch auf eine Operation zum Brustaufbau grundsätzlich nicht begründen.
Quelle: BSG, Urteil vom 10.03.2022, Az. B 1 KR 3/21