Internist nach chirurgischen Eingriffen mit Todesfolge verurteilt
Die in den §§ 630d, 630e Abs. 1 und Abs. 2 BGB getroffenen Regelungen zur ärztlichen Aufklärung sind grundsätzlich auch für die Beurteilung der strafrechtlichen Haftung – insbesondere für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit eines ärztlichen Eingriffs – maßgebend.
Wer einen Straftatbestand in vollständiger Tatsachenkenntnis erfüllt, handelt auch dann vorsätzlich, wenn sie/er sich über die Rechtmäßigkeit bzw. Strafbarkeit des eigenen Verhaltens keine Gedanken macht. Dies gilt insbesondere für Ärztinnen und Ärzte, die körperliche Eingriffe ohne wirksame Einwilligung vornehmen.
Der Irrtum einer Ärztin bzw. eines Arztes über die rechtfertigende Wirkung einer von ihr bzw. ihm in tatsächlicher Hinsicht vollständig erfassten, aber rechtlich unzureichenden Aufklärung lässt die Vorsatzstrafbarkeit unberührt.
Der für die Strafbarkeit wegen einer Körperverletzung mit Todesfolge erforderliche qualifizierte Zusammenhang zwischen Verletzung und Tod wird nicht dadurch unterbrochen, dass die bzw. der Verletzte im Zuge von Rettungsbemühungen durch diese zu Tode kommt. Das gilt jedenfalls in Fällen, in denen die möglicherweise todesursächlich gewordene Gabe eines Medikaments in der konkreten (Rettungs-)Situation geboten oder auch nur vertretbar war.
Vor dem Hintergrund dieser Grundsätze ist ein Facharzt für Innere Medizin der Körperverletzung mit Todesfolge in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt worden. Ihm wurde zudem für die Dauer von vier Jahren verboten, als Arzt chirurgische Eingriffe vorzunehmen oder bei solchen zu assistieren.
Der Arzt hatte in seinem „Zentrum der ästhetischen Medizin“ kosmetische Operationen für SelbstzahlerInnen angeboten und führte dort ambulant vornehmlich Eingriffe durch, bei denen PatientInnen Körperfett im Wege des Absaugens entnommen wurde (Liposuktion) bzw. ein Teil der entnommenen Fettzellen anschließend wieder in andere Körperregionen – etwa die Brüste oder das Gesäß – eingeführt („appliziert“) wurde (Lipotransfer). Diesen Eingriffen lag keine medizinische Indikation im Sinne der Beseitigung eines körperlichen Leidens zugrunde.
Eine Patientin verstarb nach einem von dem Arzt vorgenommenen Eingriff an Kreislaufversagen, das insbesondere auf die erhebliche Kreislaufbelastung durch die Entnahme von 12,3 Litern Gewebeflüssigkeit, dem bei der Operation erlittenen Blutverlust sowie einer mäßigen Reduzierung der Lungenfunktion aufgrund einer Verstopfung der Kapillargefäße durch in den Blutkreislauf und von dort in die Blutgefäße der Lunge gelangte Fettanteile zurückzuführen war. Eine weitere Patientin verstarb an Kreislaufversagen, hervorgerufen durch einen massiven Blutverlust in Verbindung mit einer mäßigen Reduzierung der Lungenfunktion nach einer Gefäßverstopfung durch in den Blutkreislauf gelangte Fettanteile. Zu diesem Blutverlust war es gekommen, weil infolge der Behandlung an zahlreichen Stellen des Körpers Gefäße verletzt worden waren.
Der Arzt hätte im Vorfeld der Operationen eindringlich über die Risiken der Entnahme und Applikation größerer Mengen Körperfett und die damit einhergehende überproportional steigende Gefahr von inneren Blutungen, Fettembolien und Kreislaufversagen belehren müssen. Dabei hätte er insbesondere darauf hinweisen müssen, dass das Risiko von Komplikationen und sogar tödlichen Verläufen steigt, je mehr Fett dem Körper entnommen oder diesem wieder zugeführt wird. Darüber hinaus hätte der Arzt darauf hinweisen müssen, dass die Eingriffe zur Minimierung des damit jeweils einhergehenden Risikos auf mehrere Eingriffe hätten verteilt werden können. All das hatte er jedoch unterlassen und sogar versucht, die Risiken als besonders gering darzustellen.
Aus der unzureichenden Aufklärung folgte die Unwirksamkeit der von den beiden verstorbenen Patientinnen erteilten Einwilligung in die mit den Operationen verbundenen, den Tatbestand der Körperverletzung erfüllenden Eingriffe.
Quelle: Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 16.11.2021 – 1 Ks 24/20